von Fritz Reusswig und Wiebke Lass (PIK)
Die LoKoNet-Fallstudien zeigen es genauso wie die Forschung anderer Institute: Die deutsche Klimadebatte hat sich in den letzten Jahren stark – auch: emotional – polarisiert, und die Hauptkonfliktachse lässt sich im politischen Raum zwischen den Grünen und der AfD verorten. Obwohl Umfragen wie die letzte Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung (vgl. den Beitrag von Fritz Reusswig und Beate Küpper) zeigen, dass große Teile der Wähler*innen der Parteien der Mitte klimaprogressiv eingestellt sind, also mehr Klimaschutz wollen, hat sich das im letzten Bundestagswahlkampf und auch im aktuellen Koalitionsvertrag von Union und SPD nicht widergespiegelt.
Das zu ändern war das explizite Ziel der 1. Berliner Konferenz für Bürgerlichen Klimaschutz, die am 9. April 2025 im dbb-Forum stattfand. Veranstalter war der gemeinnützige Verein heimatwurzeln e.V. mit Sitz in Bonn. Gemeinsam mit Partnerorganisationen aus dem bürgerlichen Spektrum will der Verein die Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen in der Mitte der Gesellschaft fördern. Heimatwurzeln ist Teil des internationalen Netzwerks Our Common Home, das derzeit in 14 Ländern aktiv ist und Klimaschutz als gemeinschaftliche Aufgabe versteht. Heimatwurzeln will die Klimadebatte – und damit letztlich auch die Klimapolitik – aus der aktuellen Polarisierung herausführen, etwa durch die Kampagne „Deutsche Energie“, die die Energiewende als Chance für Versorgungssicherheit, regionale Wertschöpfung und wirtschaftliches Wachstum neu erzählt oder das Projekt „LandPerspektiven“, das auf pragmatische Ansätze der Verbindung von Landwirtschaft und Umwelt setzt und Landwirt*innen als Aktive des Klimaschutzes eine Stimme geben möchte.
In Gegenwart von etwa 100 Teilnehmenden – darunter auch wichtige Meinungsmacher*innen der Klimakommunikation und -politik – leitete der Heimatwurzeln-Geschäftsführer Florian Wagner die Konferenz ein. Der Verein hat sich gleich nach seiner Gründung wissenschaftliche Unterstützung eingeholt. Dr. Markus Kollberg, Soziologe an der Berliner Humboldt-Universität, fasste seine Studie zum Thema „Potenziale konservativer Narrative für den Klimaschutz“ (vgl. www.heimatwurzeln.de) zusammen und konnte zeigen, dass gerade auch konservative Wähler*innen durch eine kluge Kombination klimapolitischer Maßnahmen und ein bürgerliches Narrativ überzeugt werden können, bei der Erreichung des 1,5-Grad-Ziels mitzuwirken. Gitta Connemann, MdB und Mittelstandssprecherin der CDU, rahmte das Ganze stärker politisch. In zwei Panels (1: Deutsche Energie – Nationale Sicherheit & Klimaschutz, 2: LandPerspektiven – Abbau klimaschädlicher Bürokratie) wurden die Aktivitätsfelder des Vereins etwas detaillierter diskutiert. Ein veritabler Oberst von der Heimatschutzdivision, ein Metzger aus Bayern und eine Agrar-Influencerin auf dem Podium belegen eindrücklich: Wer hier nach den „üblichen Verdächtigen“ der Klimadebatte oder gar nach „Klima-Wokeness“ gesucht hätte, wäre definitiv nicht fündig geworden! Bürgerlicher Klimaschutz, das wurde ebenfalls deutlich, ist stark von den oft etwas vernachlässigten ländlichen Regionen geprägt, denen Klimaschutz Identität, Energiesicherheit und regionale Wertschöpfung bringen soll.
Der Ansatz von Heimatwurzeln ist überzeugend: Die Klimadebatte muss dringend raus aus der unheilvollen Polarisierung, in der sie sich in den letzten Jahren festgerannt hat. Dabei auf neue, konservative Narrative zu setzen und diese in der Mitte der Gesellschaft, speziell auch im ländlichen Raum zu verankern, macht ebenfalls Sinn. Intuitiv genauso wie wissenschaftlich. Es bleiben aber einige Fragen: Wie deckungsgleich sind ‚Mitte der Gesellschaft‘ und ‚konservativ‘ eigentlich? Beide Begriffe wurden teilweise bedeutungsgleich verwendet, aber es gibt natürlich Unterschiede. Wie genau sollen (bürgerliche, konservative) Menschen mitgenommen werden, und reichen die Aktivitäten auch für das 1,5-Grad-Ziel? Wie wirkmächtig ist der Ansatz insbesondere in CDU und CSU, worin gerade die Klima-Union in den letzten Monaten eher durch Stillschweigen ‚glänzte‘? Und wie sieht eigentlich ein neues grünes bzw. linkes Klima-Narrativ aus? Diese letzte Frage gehört sicher nicht zum Aufgabenspektrum von Heimatwurzeln. Aber die anderen werden auf einer Veranstaltung mit dem Titel „Konservativer Klimaschutz“ auf den Berliner Energietagen am 28.5.2025 diskutiert werden, die LoKoNet-Mitglied Fritz Reusswig organisiert.
Weitere Infos und Fotos zur Veranstaltung hier.