Von Fritz Reusswig, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)

Lange dümpelte der Klimadiskurs ein wenig vor sich hin, wurde wissenschaftlich vorangetrieben und fachpolitisch kleingearbeitet. Mit fortschreitenden Klimawandel-Folgen weltweit und in Deutschland hat sich das Bild gewandelt: Die Klimakrise ist zu einem Topthema geworden—aber wird zunehmend kontrovers diskutiert.
Am einen Ende des Meinungsspektrums finden sich radikale Klimaaktivist*innen, die konsequentes Handeln „sofort“ verlangen. Am anderen Ende wird der anthropogene Klimawandel geleugnet und unsere überkommene fossile Lebensweise verteidigt – am konsequentesten von den Rechtspopulisten. Zwischen diesen beiden Extremen findet sich die große Mehrheit der Deutschen, die mit (friedlichem) Klimaprotest sympathisiert, mit konsequentem Klimaschutz „hier und jetzt“ haben aber auch sie ihre Probleme.
Für die Extreme spielt die emotionale Dimension eine besonders wichtige Rolle. Eine Schlüssel-Emotion, die sich an beiden Enden des Klimadiskurses in letzter Zeit massiv findet, ist die Angst—ergänzt um Empörung und Wut auf die (politische) Elite.
Auf der klimaskeptischen Seite geht es zum einen um die Angst vor dem Verlust des überkommenen Lebensstils und des erreichten gesellschaftlichen Status. Seit dem Ukraine-Krieg und den massiven Preissteigerungen aber auch um die direkte wirtschaftliche Existenz – so steht es auf Plakaten und Transparenten wütender Unternehmer in Mecklenburg-Vorpommern oder bei Montags-Demos in Salzwedel und anderswo. Ein radikaler Politikwechsel wird gefordert: Frieden mit Russland.
Angst haben auch die Klimaaktivist*innen der „Letzten Generation“, die sich an Autobahnen festkleben oder Kunst mit Kartoffelbrei bewerfen. Angst um ihre eigene, aber auch die planetare Zukunft. Gefordert wird auch hier ein radikaler Politikwechsel – allerdings in eine klimaneutrale Richtung.
Die emotionalen Ansprachen und Rechtfertigungserzählungen sind auf beiden Seiten überraschend ähnlich. Ein dezisionistischer Geist von Existenzialismus und Situationismus schwebt über beiden Ausprägungen der Angst: ‚Du musst Dich hier und jetzt für das richtige Handeln entscheiden!‘ Und in beiden Fällen sind die Akteure davon überzeugt, einen Notstand abzuwenden. Darin kann ein Antrieb zum Protest, aber auch eine Selbstermächtigung zur Gewalt liegen.
Wie sehen das die Akteure? Welche Rolle spielt die medial präsentierte Angst wirklich? Ist sie die Ursache des Protests oder eher eine Folge politischer Radikalisierung? Ist die Angst vor dem Untergang der Menschheit legitimatorisch und motivational „stärker“ als die vor der Firmeninsolvenz? Welche positiven Emotionen verbinden die Akteure jeweils mit dem, was sie bedroht sehen? Besteht über die politische Gegnerschaft hinweg Empathie mit denen, die Angst haben? Welche Raumbezüge weisen die Ängste auf? Diesen und ähnlichen Fragen wird das PIK im Projektverbund LoKoNet nachgehen.