von Beatrix Austin (Leitung „Konflikttransformationsforschung“, Berghof Foundation)

Angesichts aktueller globaler und regionaler Krisen und der gelegentlich um sich greifenden Endzeitstimmung lohnt es sich, den Blick auf Erfahrungen aus der internationalen lokalen Konfliktbearbeitung zu richten. Gerade in Zeiten gesellschaftlicher Spannungen und national oder international verfahrener Verhandlungsprozesse haben sich lokale Ansätze als besonders wertvoll – und wirksam – erwiesen. Dabei bedeutet Konfliktbearbeitung nicht zwangsläufig, einen schnellen Konsens zu erreichen – im Gegenteil: Kontroverse Auseinandersetzungen sind notwendig und können durchaus produktiv sein, wenn sie konstruktiv geführt werden.

Die Berghof Foundation arbeitet seit 1971 mit einem breiten Friedensbegriff. Frieden ist kein Endzustand, sondern ein fortlaufender Prozess. Frieden zeigt sich in der Abnahme direkter, kultureller und struktureller Gewalt und der Zunahme menschlicher Sicherheit sowie gesamtgesellschaftlicher Gerechtigkeit. Dabei ist auch die innere Arbeit wichtig – etwa die Auseinandersetzung mit der eigenen Haltung und die Fähigkeit, mit Widerständen umzugehen. (Ein wunderbares Projekt, das diesen Friedensbegriff heute begreifbar macht, ist das von Roger MacGinty und Pamina Firchow initiierte „Everyday Peace Indicators“, siehe z.B. MacGinty, Everyday Peace: How So-called Ordinary People Can Disrupt Violent Conflict, 2021.)

Aus den Erfahrungen der Berghof Foundation aus mehr als 50 Jahren Engagement kristallisieren sich für mich drei wesentliche Bedingungen für wirksame konstruktive Friedensarbeit und Konfliktbearbeitung heraus:

Erstens, „Bringing Peacebuilding Home“ – Friedenswirkung im Alltag verankern

Friedens- und Konfliktarbeit sollte im Alltag erfahrbar werden und im lokalen Leben verankert sein. Es ist relevant, dass Akteur:innen in lokalen Kontexten sichtbar und hörbar sind, sodass Wirkungen vor Ort spürbar werden. Es sind meist nicht externe Akteure, sondern sogenannte Insider Peacebuilder – Menschen aus dem jeweiligen Kontext – die Frieden „nach Hause bringen“ können. Sie kennen die lokalen Dynamiken, sind Teil der Gemeinschaft und können dadurch Vertrauen aufbauen und langfristig wirksam sein. Diese Akteur:innen gilt es gezielt zu stärken, zu begleiten und zu schützen.

Zweitens, Agency und Power als Selbstwirksamkeit stärken

Handlungsmacht und Gestaltungskraft entstehen oft im Lokalen. Diese Räume verfügen über eine hohe Beharrungskraft, können kreativ und widerständig sein. Sie sind zugänglicher für das eigene Handeln (z.B. sich in Kirche, Sportverein oder der Schule der Kinder engagieren) und eher in der erfahrbaren „sphere of influence“ – d.h. die beteiligten Menschen erleben selbst, dass sich etwas bewegt – oder wodurch etwas blockiert (wird). Es gilt, diese Potenziale zu stärken und gezielt in politische Prozesse einzubinden, um Veränderungen von unten zu ermöglichen. Hoffnung und transformative Kraft entstehen oft genau hier, im lokalen Raum. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten: Die lokale Ebene darf nicht romantisiert werden, und in Deutschland 2025 gerät sie vielerorts machtvoll von außen und innen unter Druck (siehe z.B. Motra Monitor 2023/2024). In vielen Kontexten ziehen sich zivilgesellschaftliche Kräfte zurück – etwa aufgrund von Einschüchterung oder Repression. Dennoch bleibt das Lokale ein bedeutender Ort für Friedensarbeit, sofern es gezielt gestärkt wird.

Drittens, zugängliche und flexible Sprache fördert Verständnis und Verständigung

Friedensakteure benötigen eine Sprache, die sowohl innerhalb ihrer eigenen Gemeinschaft als auch im internationalen Dialog anschlussfähig ist. Eine klare, direkte Kommunikation, die komplexe Zusammenhänge verständlich macht, ist essenziell – nicht nur, um zu informieren, sondern um Menschen zum Dialog einzuladen und Brücken zu bauen. Friedensarbeit ist nicht umsonst – lokal, regional und international – eng an Austausch, Dialog und an das neugierige und offene Miteinander-Sprechen gebunden (siehe z.B. N. Ropers, Basics of Dialogue Facilitation, 2018).