von Katrin Singer, Katharina Schmidt, Martina Neuburger (Universität Hamburg)

Artographies stehen für situierte, gemeinschaftliche und fürsorgende Formen der Wissens- und Raumproduktion, in denen Teilnehmende als kreativ schaffende Personen eingeladen werden, eine schöpferische Sprache als Ausdruck ihrer Lebenswirklichkeit zu kreieren. Damit sind Artographies als Teil des qualitativen methodologischen Spektrums im Anschluss an den cultural und creative turn in der Geographie zu verstehen und können unter anderen kreativ-künstlerische Zugänge wie Zeichnen, Collagen, Zines, Sound, Performance, Ausstellungen, Pantomime, Fotos und Videos umfassen.

In unserer Lesart verstehen wir Artographies in Relation zu verkörperter und sinnlicher Wissensproduktion, die neben dem Hirn auch das Herz miteinbezieht. Kritische Artographies stellen eine Verknüpfung zwischen rationalen und sinnlichen Zugängen her und sind so nicht nur subjektiv und wahrnehmungsstrukturiert oder auf individueller Ebene angesiedelt, sondern behandeln immer auch strukturelle Machtverhältnisse mit, wie sie u.a. in alltäglichen Begegnungen, politischen Entscheidungen und Diskursen, in gesellschaftlicher Imaginationen oder in der gebauten Umwelt ebenso vorhanden sind.

Mit einem solchen Verständnis von kritischen Artographies sind gerade feministische und postkoloniale Debatten um empirische Zugänge verbunden, welche explizit diskutieren wie situierte Forschungspositionen nicht nur das Forschungsinteresse, sondern auch die Forschungspraxis beeinflussen. Darin reflektieren sie unter anderem die Rolle von Emotionen und Affekten. Während theoretische Debatten häufig auf ein methodisches Dilemma (z.B. die Verbalisierung oder Deutung von Emotionen oder die Differenzierung von Emotion und Affekt) in der Forschungspraxis verweisen, sind es gerade methodische und methodologische Zugänge, die versuchen, Relationen zwischen Raum und Emotion empirisch fassbar zu machen.

Mit Bezug zum Kontext Emotionalität und Raum eröffnen kritische Artographies kreative Zugänge zur Untersuchung räumlicher Dimensionen der Emotionalität oder von emotionalen Räumen. Im Sammelband Artographies – kreativ künstlerische Zugänge zu einer machtkritischen Raumforschung (s.u.) finden sich unter anderem Beiträge, die komplexe Themen wie die Verkörperung von Stress im Uni-Alltag bearbeiten und hierfür z.B. Pantomime als Methode, durch die Körperlichkeit ausgedrückt werden kann, heranziehen; oder auch Beiträge, welche der Rolle von Sounds und wie diese unser Erleben der Klimakrise akustisch prägen, nachgehen, oder die untersuchen wie multisensorische Ausstellungen als emotionale Räume fungieren und uns affizieren können.

Die Beiträge zeigen auch jenseits des Fokus auf Emotionen, dass trotz visueller, spielerischer und sinnlicher Zugänge kritische Artographies aus fundierten methodologischen Auseinandersetzungen hervorgehen, die sich ihrer machtvollen und auch möglichen gewaltvollen Wirkung historisch und gegenwärtig bewusst sind. Ihr Potenzial zeigt uns, dass es Möglichkeiten gibt, kritische Wissensproduktion diverser, kreativer und zugänglicher zu machen.

Singer, Katrin; Schmidt, Katharina & Neuburger, Martina (Eds.) (2023): Artographies. Kreativ-künstlerische Zugänge zu einer machtkritischen Raumforschung. Bielefeld: transcript Sozial- und Kulturgeographie, 59. Open Access unter: https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-6776-9/artographies-kreativ-kuenstlerische-zugaenge-zu-einer-machtkritischen-raumforschung/?number=978-3-8394-6776-3