von Cora Bieß, Referentin bei der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung

Konfliktsensibilität spielt in der Friedensarbeit und Zivilen Konfliktbearbeitung eine bedeutende Rolle und wird häufig mit dem Qualitätsstandard Do No Harm in die Praxis übersetzt. Konfliktsensibilität bedeutet, sich der Wechselwirkung zwischen der eigenen Intervention in einen Konflikt und der Einflussnahme auf die Konfliktdynamik bewusst zu sein. Demnach sind Aktivitäten und Interventionen in einem Konfliktumfeld nicht neutral. In der praktischen Anwendung stützt sich Do No Harm auf das einfache Konzept der „trennenden“ und „verbindenden Faktoren“, um die Beziehungen zwischen Gruppen im Kontext, in dem eine Konfliktintervention durchgeführt wird, zu analysieren. Trennende Faktoren führen in der Regel zu Spaltungen oder Spannungen, während verbindende Faktoren die Grundlage für Gemeinsamkeiten bilden können. In der Betrachtung des Do No Harm Ansatzes zeigt sich jedoch eine Leerstelle – die mangelnde Berücksichtigung von kolonialen Kontinuitäten.

Machthierarchien durch Privilegierung und Diskriminierung finden sich in jeder Form sozialer Interaktion. Subalterne Stimmen werden in Konfliktdynamiken oft nicht gehört und übersehen. Daher ist die Berücksichtigung der Positionalität von Konfliktbeteiligten und Konfliktintervenierenden relevant, d.h. Konflikte und Konfliktorte sind im Kontext von Macht-Wissensverhältnissen zu reflektieren. Neben dem Bewusstsein, durch die Konfliktintervention Teil des Konfliktgeschehens zu werden, bedarf es daher meines Erachtens auch einer hegemoniekritischen und privilegienbewussten Haltung. Konfliktsensibilität aus einer machtkritischen Perspektive setzt sich folglich zum Ziel, die eigene Verstrickung in Gewaltverhältnisse auf der strukturellen Ebene von Machtverhältnissen zu reflektieren. Selbstreflexion des eigenen Handelns und post- und dekoloniale Systemkritik können so ineinander greifen.

Do No Harm kann beispielsweise mit der HEADS UP Checkliste von Vanessa de Oliveira Andreotti und dem Gesturing Towards Decolonial Futures Collective erweitert werden, um koloniale Kontinuitäten und daraus resultierende Dynamiken und Rollen in Konfliktinterventionen explizit zu machen.
Mit der Entscheidung für eine Forschungsfrage oder der Identifizierung eines Bedarfs an Konfliktbearbeitung legen Konfliktforscher*innen und Konfliktberater*innen den Kontext fest und identifizieren bestehende Konflikte, die in Machtverhältnisse eingebettet sind. Hier können aus machtkritischer Perspektive Fragen gestellt werden wie: Warum wird gehandelt und aus welcher Perspektive wird gesprochen? Welches Wissen fließt ein und welche Annahmen werden getroffen? Was wird fokussiert und was wird ausgeblendet? Wo und wie wird das soziale Umfeld beeinflusst? Wer wird gehört und wer nicht? Welche Formen von Gewalt werden fokussiert, welche wenig beachtet?

Da es in der gesellschaftlichen Praxis keine macht- und diskriminierungsfreien Räume gibt, wirken koloniale Kontinuitäten folglich auch in Veranstaltungen wie Konfliktberatungen oder wissenschaftlichen Tagungen und empirischen Erhebungen, zum Beispiel im Feld der Aktionsforschung.

Die Reflexionshilfe für rassismus- und diskriminierungssensible Veranstaltungen der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung bietet daher Impulse, für die praktische Umsetzung für die Gestaltung von diskriminierungssensiblen Räumen. Dabei sind nicht Schuldzuweisungen, Schuldgefühle oder Beschämungen das Ziel dieser Reflexionshilfe. Vielmehr geht es darum, eine privilegienbewusste Haltung zu fördern, indem das Zusammenspiel von Privilegierung und Diskriminierung aktiv in den Blick genommen wird. Denn ein selbstreflexiver rassismus- und diskriminierungskritischer Umgang ermöglicht es, Einfluss auf das eigene Umfeld zu nehmen, vielfältige Veränderungen und gesellschaftlichen Wandel anzustoßen bzw. voranzutreiben und damit Diskriminierung als Form von Gewalt aktiv entgegenzuwirken. Zudem wird der Ansatz von Safe(r) Space beschrieben und es wird skizziert, wie dieser Ansatz in Veranstaltungsformaten umgesetzt werden kann.